* An dem Ende seiner Tage * An dem Ende seiner Tage Steht der Kater Hiddigeigei, Und er denkt mit leiser Klage, Wie sein Dasein bald vorbei sei. Möchte gerne aus dem Schatze Reicher Weisheit Lehren geben, Dran die Zukunft mancher Katze Haltpunkt fänd' im schwanken Leben. Miau! Miau! Miau! Ach der Lebenspfad ist holpernd, -- Liegen dort so manche Steine, Dran wir [Alte]3, schmählich stolpernd, Oftmals uns verrengt die Beine. Ach, das Leben birgt viel Hader Und schlägt viel unnütze Wunden, Mancher tapf're schwarze Kater Hat umsonst den Tod gefunden. Miau! Miau! Miau! Doch wozu der alte Kummer? Und ich hör' die Jungen lachen, Und sie treiben's noch viel dummer, Schaden erst wird klug sie machen. Fruchtlos stets ist die Geschichte; Mögen seh'n sie, wie sie's treiben! -- Hiddigeigeis Lehrgedichte Die Zukunft mancher werden ungesungen bleiben. geschrieben sind von ihm folgende Lieder: * Die übersetzten Lieder des Katers Hiddigeigei * I. Eigner Sang erfreut den Biedern, Denn die Kunst ging längst ins Breite, Seinen Hausbedarf an Liedern Schafft ein jeder selbst sich heute. Drum der Dichtung leichte Schwingen Strebt' auch ich mir anzueignen; Wer wagt's, den Beruf zum Singen Einem Kater abzuleugnen? Und es kommt nicht minder teuer, Als zur Buchhandlung zu laufen Und der andern matt' Geleier Fein in Goldschnitt einzukaufen. II. Wenn im Tal und auf den Bergen Mitternächtig heult der Sturm, Klettert über First und Schornstein Hiddigeigei auf zum Turm. Einem Geist gleich steht er oben, Schöner, als er jemals war. Feuer sprühen seine Augen, Feuer sein gesträubtes Haar. Und er singt in wilden Weisen, Singt ein altes Katerschlachtlied, Das wie fern Gewitterrollen Durch die sturmdurchbrauste Nacht zieht. Nimmer hören ihn die Menschen, Jeder schläft in seinem Haus, Aber tief im Kellerloche Hört erblassend ihn die Maus. Und sie kennt des Alten Stimme, Und sie zittert, und sie weiß: Fürchterlich in seinem Grimme Ist der Katerheldengreis. III. Von des Turmes höchster Spitze Schau' ich in die Welt herein, Schaue auf erhab'nem Sitze In das Treiben der Partein. Und die Katzenaugen sehen, Und die Katzenseele lacht, Wie das Völklein der Pygmäen Unten dumme Sachen macht. Doch was nützt's? ich kann den Haufen Nicht auf meinen Standpunkt ziehn, Und so laß ich ihn denn laufen, 's ist wahrhaft nicht schad' um ihn. Menschentun ist ein Verkehrtes, Menschentun ist Ach und Krach; Im Bewußtsein seines Wertes Sitzt der Kater auf dem Dach! - IV. O die Menschen tun uns unrecht, Und den Dank such' ich vergebens, Sie verkennen ganz die feinern Saiten unsers Katzenlebens. Und wenn einer schwer und schwankend Niederfällt in seiner Kammer, Und ihn morgens Kopfweh quälet, Nennt er's einen Katzenjammer. Katzenjammer, o Injurie! Wir miauen zart im stillen, Nur die Menschen hör' ich oftmals Graunhaft durch die Straßen brüllen. Ja, sie tun uns bitter unrecht, Und was weiß ihr rohes Herze Von dem wahren, tiefen, schweren, Ungeheuren Katzenschmerze? V. Auch Hiddigeigei hat einstmals geschwärmt Für das Wahre und Gute und Schöne. Auch Hiddigeigei hat einst sich gehärmt Und geweint manch sehnsüchtige Träne. Auch Hiddigeigei ist einstmals erglüht Für die schönste der Katzenfrauen, Es klang wie des Troubadours Minnelied Begeistert sein nächtlich Miauen. Auch Hiddigeigei hat mutige Streich' Vollführt einst, wie Roland im Rasen, Es schlugen die Menschen das Fell ihm weich, Sie träuften ihm Pech auf die Nasen. Auch Hiddigeigei hat spät erst erkannt, Daß die Liebste ihn schändlich betrogen, Daß mit einem ganz erbärmlichen Fant Sie verbotenen Umgang gepflogen. Da ward Hiddigeigei entsetzlich belehrt, Da ließ er das Schwärmen und Schmachten, Da ward er trotzig in sich gekehrt, Da lernt' er die Welt verachten. VI. Schöner Monat Mai, wie gräßlich Sind dem Kater deine Stunden, Des Gesanges Höllenqualen Hab' ich nie so tief empfunden. Aus den Zweigen, aus den Büschen Tönt der Vögel Tirilieren, Weit und breit hör' ich die Menschheit Wie im Taglohn musizieren. In der Küche singt die Köchin, Ist auch sie von Lieb' betöret? Und sie singet aus der Fistel, Daß sie Seele sich empöret. Weiter aufwärts will ich flüchten, Auf zum luftigen Balkone, Wehe! - aus dem Garten schallt der Blonden Nachbarin Kanzone. Unterm Dache selber find' ich Die gestörte Ruh' nicht wieder, Nebenan wohnt ein Poet, er Trillert seine eignen Lieder. Und verzweifelt will ich jetzo In des Kellers Tiefen steigen, Ach! - da tanzt man in der Hausflur, Tanzt zu Dudelsack und Geigen. Harmlos Volk! In Selbstbetäubung Werdet ihr noch lyrisch tollen, Wenn vernichtend schon des Ostens Tragisch dumpfe Donner rollen! VII. Mai ist's jetzo. Für den Denker, Der die Gründe der Erscheinung Kennt, ist dieses nicht befremdlich. In dem Mittelpunkt der Dinge Stehn zwei alte weiße Katzen, Diese drehn der Erde Achse, Dieser Drehung Folge ist dann Das System der Jahreszeiten. Doch warum im Monat Maie Ist das Aug' mir so beweglich, Ist das Herz mir so erreglich? Und warum wie festgenagelt Muß im Tag ich sechzehn Stunden Zum Balkon hinüberschielen, Nach der blonden Mullimulli, Nach der schwarzen Stibizzina? VIII. In den Stürmen der Versuchung Hab' ich lang schon Ruh' gefunden, Doch dem Tugenhaftsten selber Kommen unbewachte Stunden! Heißer als in heißer Jugend Überschleicht der alte Traum mich, Und beflügelt schwingt des Katers Sehnen über Zeit und Raum sich. O Neapel, Land der Wonne, Unversiegter Nektarbecher! Nach Sorrent möcht' ich mich schwingen, Nach Sorrent, aufs Dach der Dächer. Der Vesuvius grüßt, es grüßt vom Dunkeln Meer das weiße Segel, Im Olivenwald ertönt ein Süß Konzert der Frühlingsvögel. Zu der Loggia schleicht Carmela, Sie, die schönste aller Katzen, Und sie streichelt mir den Schnauzbart, Und sie drückt mir leis die Tatzen, Und sie schaut mich an süß schmachtend - Aber horch, es tönt ein Knurren. Ist's vom Golf der Wellen Rauschen? Ist es des Vesuvius Murren? 's ist nicht des Vesuvius Murren, Der hält jetzo Feierstunde, - In dem Hof, Verderben sinnend, Bellt der schlechtste aller Hunde. Bellt der schechtste aller Hunde, Bellt Krakehlo, der Verräter, Und mein Katertraum zerrinnet Luftig in den blauen Äther. IX. Hiddigeigei hält durch strengen Wandel rein sich das Gewissen, Doch er drückt ein Auge zu, wenn Sich die Nebenkatzen küssen. Hiddigeigei lebt mit Eifer Dem Beruf der Mäusetötung, Doch er zürnt nicht, wenn ein andrer Sich vergnügt an Sang und Flötung. Hiddigeigei spricht, der Alte: Pflück' die Früchte, eh' sie platzen; Wenn die magern Jahre kommen, Saug an der Erinn'rung Tatzen! X. Auch ein ernstes gottesfürchtig Leben nicht vor Alter schützet, Mit Entrüstung seh' ich, wie schon Graues Haar im Pelz mir sitzet. Ja die Zeit tilgt unbarmherzig, Was der einzle keck geschaffen - Gegen diesen scharfgezahnten Feind gebricht es uns an Waffen. Und wir fallen ihm zum Opfer, Unbewundert und vergessen; - O ich möchte wütend an der Turmuhr beide Zeiger fressen! XI. Vorbei ist die Zeit, wo der Mensch noch nicht Den Erdball unsicher machte, Wo der Urwald unter dem Vollgewicht Des Mammutfußtritts erkrachte. Vergeblich spähst du in unserm Revier Nach dem Löwen, dem Wüstensohne; Es ist zu bedenken: wir leben allhier In sehr gemäßigter Zone. In Leben und Dichtung gehört das Feld Nicht dem Großen und Ungemeinen; Und immer schwächlicher wird die Welt, Noch kommen die Kleinsten der Kleinen. Sind wir Katzen verstummt, so singt die Maus, Dann schnürt auch die ihren Bündel; Zuletzt jubiliert noch in Saus und Braus Das Infusorien-Gesindel XII. An dem Ende seiner Tage Steht der Kater Hiddigeigei, Und er denkt mit leiser Klage, Wie sein Dasein bald vorbei sei. Möchte gerne aus dem Schatze Reicher Weisheit Lehren geben, Dran in Zukunft manche Katze Haltpunkt fänd' im schwanken Leben. Ach, der Lebenspfad ist holpernd, - Liegen dort so manche Steine, Dran wir Alte, schmählich stolpernd, Oftmals uns verrenkt die Beine. Ach, das Leben birgt viel Hader Und schlägt viel unnütze Wunden, Mancher tapfre schwarze Kater Hat umsonst den Tod gefunden. Doch wozu der alte Kummer, Und ich hör' die Jungen lachen, Und sie treiben's noch viel dummer, Schaden erst wird klug sie machen. Fruchtlos stets ist die Geschichte; Mögen sehn sie, wie sie's treiben! - Hiddigeigeis Lehrgedichte Werden ungesungen bleiben. XIII. Arm wird matter, Stirn wird bleicher, Balde reißt des Lebens Faden, Grabt ein Grab mir auf dem Speicher, Auf der Walstatt meiner Taten! Fester Kämpe, trug die ganze Wucht ich hitzigen Gefechtes: Senkt mich ein mit Schild und Lanze Als den Letzten des Geschlechtes. Als den letzten, - o die Enkel, Nimmer gleichen sie den Vätern, Kennen nicht des Geists Geplänkel, Ehrbar sind sie, steif und ledern. Ledern sind sie und langweilig, Kurz und dünn ist ihr Gedächtnis; Nur sehr wen'ge halten heilig Ihrer Ahnherrn fromm Vermächtnis. Aber einst, in fernen Tagen, Wenn ich längst hinabgesargt bin, Zieht ein nächtlich Katerklagen Zürnend über euren Markt hin. Zürnend klingt euch in die Ohren Hiddigeigeis Geisterwarnung: "Rettet euch, unsel'ge Toren, Vor der Nüchternheit Umgarnung!" * Werners Lieder aus Welschland * I. Ich sah ein Sternlein glänzen Am Himmel licht und stumm, Es fiel ins Meer herunter, Wußt selber nicht, warum. Ich sah zwei Menschenkinder In Liebe beisammen stehn, Sie mußten sich verlassen, Der Sturm thät' sie verwehn, II. Als ich von ihr gegangen Da war der Weg mir weit, Es zischelten die Schlangen, Es lachten die bösen Leut'. Als ich von ihr gegangen, Da war das Herz mir schwer: Zwei alte Raben sangen: "Er sieht sie nimmermehr". AIs ich von ihr gegangen, Da war mein Glück vorbei, Hätt' man mich aufgehangen, Es war' mir einerlei. III. Grauer Himmel, und die Sonne Schwer umhüllt von Wolkenfluren, War's nicht so an jenem Tage, Da die Liebste ich verloren? — Aus dem Dunkel glänzt ein leiser Regenbogenhauch hernieder — Grauer Himmel, darf ich hoffen? Seh' ich die Verlorne wieder? IV. Es ist ein Schnee gefallen, Ein Schnee im welschen Land, Hell glänzen rings die Berge Im weißen Festgewand. Den Kindern aus der Gasse Solch' Freude lang nicht ward. Es stiegt dem Kapuziner Der Schneeball in den Bart. In Sommersgluten lag ich Beengt, bedrängt, versengt, Verschmachtend wie die Blume, Die lang kein Tau getränkt. Und fruchtlos wollt' dem Auge Des Heimwehs Thrän' entfliehn, Sie trocknet auf der Wimper, Eh' sie zum Trost gediehn. Drum heiß' ich, scharfer Winter, Dich tausendmal Willkomm, Vom Schnee umstübert atmet Sich's leicht im alten Vom. Durchweh mit deinem Hauche Mir Lockenhaar und Kleid, Und sing mir 'was von Tannen Und deutscher Weihnachtsfreud'. V. Sturm und Wetter — Frühlingsanfang Also ist's auch hier im Süden, Arger noch als in der Heimat Hör' ich's brausen draus und wüten. Und im Regenschlag und Wetter Frisch der junge Keim sich reget, Und am grünsten sind die Blätter, Die der Sturm zuvor gefeget. — Ruhig steh' ich am Balkone — Wozu soll das alles nützen? Toten deutschen Liebesfrühling Weckt kein Donnern und kein Blitzen. VI. Jüngst traf ich eine Palme; Hab' ihr 'nen Gruß verbracht Vom deutschen Fichtenbaume, Der träumend ihrer dacht'. Die Palme sprach mit Lachen: "O nordische Träumerei, Denkt immer in die Ferne, Vergißt sich selbst dabei. Mir ist, was um mich lebet, Sattsamer Zeitvertreib; Der Rebstock schlingt sich kosend Um meinen Schuppenleib. Mich küßt aus Morgenträumen Der Zephyr lind und sacht, Es hält zu meinen Füßen Die scharfe Aloe Wacht. So leb' ich hier ein strahlend, Ein innig schön` Gedicht. Was will der deutsche Fichtbaum? Ich kenn' den Träumer nicht." * Lieder des stillen Mannes * I. Ob du vieles auch erkanntest In des Denkens wildem Jagen, Darfst das Beste, was du fandest, Nimmer doch den andern sagen. Glauben sonst, du seist vernarret Und du triebest dumme Sachen; Höhnend tönt und höhnend' schnarret Hinter deinem Schritt ihr Lachen. Wer der andern Blick will richten Auf den Schmerz, der ihn gepeinigt, Wird von ungewaschnen Wichten Angebellt und hart gesteinigt. Armes Treiben, arme Leute! Vorwärts strebe unverdrossen, Doch des Wissens beste Beute Halt in deiner Brust verschlossen. II. Altes Sein und Denken Auseinander fällt, Mußt dir selber schenken Eine neue Welt. Bau sie dir lief innen, Bau sie hell und weit — Strömen und verrinnen Laß die alte Zeit. III. Nimmer freudig meines Loses Kann die Hand zum Dank ich heben, Daß die Götter mir ein großes Herz mit in die Welt gegeben. Und ich weiß, es ist nur Grollen. Ist nur Hohn, daß sie's gewähret, Alles Thun und alles Wollen Wird von tiefem Schmerz verzehret. Junges Leben — o wie freudig Jauchzt' ich einst, dich zu begrüßen, Und du ließest scharf und schneidig Dornen nur am Weg mir sprießen. Armes Herz, jetzt schlägt es trübe, Und sein Glaube ist erstorben, Seine Hoffnung, seine Liebe Ist vom Hauch der Welt verdorben. Armes Herz — warst allzu große, Sei getrost — nicht ziemt das Weinen, In der Bergkluft Felsenschoße Magst du trotzig still versteinen. * Lieder jung Werners * I. Du Ensisheim im Elsaß Da liegt ein schwarzer Stein, Der fiel aus blauem Himmel In unsre Welt herein. Ich konnt's einst nicht begreifen; Jetzt bin ich auf der Spur, Seit ebenso vom Himmel Die Liebe in mich fuhr. II. Madonna an dem Rheine, Zu dir mein Gruß sich schwingt, Dieweil mit mildem Scheine Dein Licht hernieder blinkt. Ich darf dir anvertrauen, Wohin mich trägt der Kahn — O, wolle gnädig schauen Auf meine dunkle Bahn. III. Der Wächter rief die Mitternacht Im Städtlein unten am Rheine, Da stand ich auf des Eggbergs Höh', Auf moosigem Gesteine. Kienfackel, die als Leuchte mir Den finstern Pfad erhellet, Die Hab' ich dort mit starker Faust Hoch in die Lust geschnellet. Der Wächter unten schlug ein Kreuz, Er sah die Funken zischen: "Behüt uns, heil'ger Fridolin, Vor Geistern und Irrwischen." Mein Lieb im Thal, erbange nicht, Die stammenden Gespenster, Sie sind aus keckem Herz ein Gruß Nach deinem Erkerfenster. IV. Wer Wein im Becher traurig blinkt, Mir ist, ich hör' ihn sagen: Undank ist stets der Treue Lohn, Gen dich auch muß ich klagen. Du trankst mich einst mit heißem Herz, Thast mich nicht leichthin nippen; Wie gerne hing, wie gern verging Ich an den jungen Lippen. Jetzt schaust du weg, jetzt segnest du Des Rheines Wasser quellen, Die tragen vor der Liebsten Turm Den untreuen Gesellen. V. Und als der Streit im Lande war, Da hieben sie mich wund, Zerhieben mir den Schädel gar, Des ward ich kaum gesund. Jetzund ist Fried'; itzunter schafft Die Lieb' mir Not und Pein, Daß ich, mit Krankheit neu behaft', Schier zu ersterben mein'.